Britta Bremer berichtet aus Zürich

Schweiz Aufenthalt vom 3.-30.8.2024 Programm LoGo Europa

Die Ankunft mit der deutschen Bahn in Zürich war schon recht beschwerlich. Der Start in Berlin am frühen Morgen in Lichtenberg klappte nicht, da die S-Bahn nicht fuhr aus unerklärbaren ³Ò°ùü²Ôden. Ich habe dann den Hauptbahnhof vier Minuten vor Abfahrt erreicht. Jedoch fuhr der Zug nicht pünktlich los. Mehrfach wurde das Gleis für die Abfahrt gewechselt. 50 Minuten später klappte dann immerhin die Abfahrt.
Bei Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn lässt die Schweiz in Basel die Züge nicht mehr ins Land, da diese Verspätungen sonst das gesamte pünktliche Bahnnetz in der Schweiz ins Wanken bringen. Was soll ich sagen: Ich bin mit 50 Minuten in Berlin schon zu spät gestartet und wir hatten dann 120 Minuten an der Schweizer Grenze….

1. Tag Kaffeemaschine

1. Tag - AJB-Amt für Jugend- und Berufsberatung

Montags war mein erster Tag im Amt AJB (Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich/ Standort in der Stadt Zürich in der Dörflistr. 120). Ich bin von meiner Gastgeberin Sandra Stoessel empfangen worden. Das AJB ist für außerschulische Bildung sowie für den Kinderschutz im Kanton Zürich zuständig. Die Leistungen zum Kinderschutz werden in 14 Kinder- und Jugendzenten (KJZ) im Kanton Zürich erbracht. Das AJB ist Anlaufzentrum für Fachpersonen, Institutionen und µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô.
Im Amt AJB in der Dörflistrasse gibt es mehrere Abteilungen (Adoptionsberatung, Studienberatung, Frühe Kindheit….) Ich bin der Abteilung „Kinder- und Jugendhilfe, Ergänzende Hilfen zur Erziehung) zugewiesen.

Es arbeiten in ihrem Team 15 Mitarbeitende. Alle bevorzugen das kollegiale „Du“. Viele Formalitäten haben wir vorab geregelt. Lustig war, dass unter einer Berliner Vereinbarung ein Stempel erwartet wurde. Sandra sagte, dass sie seit vielen Jahren keinen Stempel mehr in der Hand hatte. Die Behörde arbeitet voll digitalisiert, jedes Büro ist mit neuestem PC ausgestattet, zusätzlich mit personalisiertem Laptop und Handy. Daher keine Stempel mehr….. Das Team von Sandra ist multiprofessionell besetzt. 11 Jurist:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeitende und 4 Verwaltungsangestellte.
Die Organisation ist dem Kanton Zürich zugeordnet (die Verwaltung der Stadt Zürich ist nochmals anders aufgestellt).

Mein erster visueller Eindruck war, wie gut und geschmackvoll das Amt ausgestattet ist. Unfassbar saubere und stilvolle Einrichtung. Kunst an den Wänden, Wasserspender und funktionierende blitzende Kaffeeautomaten gibt es im Haus. Einen Aufenthaltsraum für alle 5 Etagen des Amtes gibt es im Erdgeschoss, wo auch der beeindruckende Kaffeevollautomat steht. Daher treffen sich viele Mitarbeitenden dort, nutzen auch die Räumlichkeit für kleinere Arbeitsgruppen oder Gespräche.

2. Tag Ausstattung

2. Tag - Teambesprechung und Einführung

Ich habe ein Quartier in der Innenstadt und meine Tramlinie führt direkt zu meinem neuen Arbeitsplatz ins AJB. Dienstags sind alle Mitarbeitenden vor Ort. Alle Kolleg:innen dürfen ansonsten 50% ihrer Arbeitszeit im home office erledigen. Es gab daher eine Begrüßung mit frischen Croissants und Vorstellung der Kolleg:innen und alle lauschten gespannt meinen Ausführungen über die Strukturierung der Berliner Verwaltung. Ich durfte an zwei Besprechungen am Vormittag teilnehmen. Es wird der Besuch der Regierungsrätin vorbereitet und sie will den Stand der benutzerfreundlichen Digitalisierungsprojekte für Bürger:innen erfragen. Vorgestellt werden dann: eine Gesprächs APP für hochstrittige Eltern, an dem ein Mitarbeiter der Behörde mit einem roten Knopf zugeschaltet wird, wenn es zwischen den Eltern “heikel” wird. Zudem wird über ein Projekt eines KI unterstützten Berichtswesen berichtet, welches im Aufbau ist.

Nachmittags nehme ich an einem Umstrukturierungsworkshop der Behörde teil. Diese soll mithilfe einer neuen Organisation anders aufgestellt werden “Scrum-Methode”.

Dann erfahre ich noch in einem Gespräch mit der Teamleitung Matthias von der eigenen dunklen Jugendhilfe Geschichte der Schweiz „Kinder der Landstraße“, in dem von 1912 bis in die 70er Jahre Kinder von “Fahrenden” (Jenisches Volk, zugehörig einer Roma Volksgruppe) systematisch von der halbstaatlichen Stiftung Pro Juventute aus den Familien gerissen wurden und Fremdplatzierungen erfuhren. Erst 1972 wurde das Projekt nach öffentlichen Protesten eingestellt.

3. Tag Britta Bremer am Ufer

3. Tag - Internationaler Kinderschutz und Elternbildung

Der Morgen im Amt startet wieder um 08:30 Uhr. Es gibt eine eigene Rechtsabteilung im Amt. Mein Termin ist mit der Juristin Sarah, die sich mit den Fragen zum internationalem Kinderschutz im AJB auseinandersetzt. Sie berichtet mir von einem spannenden Fall, in dem eine deutsche Mutter aus Hamburg zu ihrem Lebensgefährten in die Schweiz geht, obwohl ein Beschluss zur Herausnahme des Säuglings in Hamburg vorlag. Nunmehr hat der Schweizer Lebensgefährte das Kind als sein eigenes anerkannt…. Aufgabe von Sarah ist die Klärung der Zuständigkeit und Klärung der Kosten. Wer macht was? Schutzbehörde Schnittstelle Polizei?

Danach gibt es noch einen Termin mit Alexander, der sich mit dem neu geschaffenem Kinder-Jugendheim Gesetz befasst.
Er ist zuständig für die Versorgungslandschaft des Kantons Zürich in der Kinder- und Jugendhilfe.
84 stationäre Einrichtungen gibt es im Kanton Zürich.
Aber auch hier in der Schweiz sind Plätze für besonders anspruchsvolle intensive Kinder- und Jugendhilfe rar. Auch dort sind die Plätze mit “pflegeleichteren” Kindern belegt, die eventuell mit ambulanter Hilfe zurückgeführt werden könnten, so mutmaßt er. Bei Nichtbelegung wird ein Defizitausgleich für die Einrichtung gewährt. Und trotzdem fehlen Kindern/Jugendlichen, die intensiver und / oder langatmiger betreut werden müssten, die Plätze. Das kommt mir doch sehr bekannt vor! Rückführungen nach stationären Unterbringungen werden auch hier intensiv diskutiert und Träger werden angehalten ÇàÇà²ÝÊÓÆµe zu unterbreiten. Kinderschutz Konzepte müssen, laut dem neuen Gesetz von 2022, auch in Schweizer Einrichtungen erarbeitet werden.

3. Tag Druckerzeugnisse zur Elternberatung
Am Nachmittag habe ich einen Termin außerhalb des Amtes. Ich werde begrüßt von dem stellvertretenden Geschäftsführer der “Elternbildung”. Diese haben schöne helle Räume in der Innenstadt von Zürich. Sie bieten Gruppenkurse für Eltern an, die den Alltag mit Kindern erleichtern und verstehbar machen sollen. Die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe sind fast ausschließlich freiwillig, außer den Gruppenkursen zu “Getrennter Elternschaft”,- diese werden auch manchmal von einem Gericht oder dem KESB (Kinder- und Elternschutzbehörde – analog zu sehen zwischen RSD/Familiengerichte in Berlin) angeordnet. Auch dieses Team arbeitet multiprofessionell (Sozialarbeitende, Erwachsenenbildner:in, Therapeut:innen ….) das ÇàÇà²ÝÊÓÆµ ist breit gestreut:
  • Elternbildung Vorschulbereich
  • Einmal Vater- immer Vater
  • Elternbleiben
  • etc.

Die Kurse werden im Tandem begleitet von einem Mitarbeitenden des AJB und einer Mitarbeitenden vor Ort (Kjz- Kinder und Jugendzentrum). Alle Kurse sind online einsehbar auf der Seite des AJB. Es werden auch Online Kurse für Eltern angeboten. Gerade die Kurse in der Schwangerschaft oder die Kurse für Eltern mit kleinen Kindern sind online nachgefragt.
Ich bekomme eine tolle Materialmappe zu dem Umgang mit gewaltfreier Erziehung. Toll gemachte Materialien, um mit Eltern ins Gespräch zu kommen…. Die Schweiz hat zwar 1997 die UN- Kinderrechtskonvention unterschrieben, jedoch das Recht auf gewaltfreie Erziehung noch nicht gesetzlich verankert.

4. Tag - Abklärungen und Jugendkrisen

Heute startet der Tag entspannt um 09:00 Uhr. Mein erstes Gespräch war mit Martina. Sie betreut die Arbeit der KJZ (Kinder- und Jugendzentren- analog zum Jugendamt/RSD bei uns) in Fällen von Kindeswohl “Abklärungen”.
Meldungen und Zusammenarbeit im Kinderschutz wird deutlich anders gestaltet als in Deutschland. In der Schweiz Kanton Zürich gibt es mehrere µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô und Instanzen, die daran beteiligt sind. Meldungen von Bürger:innen und Fachdiensten gehen immer an die KESB (Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde). Hier arbeiten Jurist:innen und Sozialarbeitende (aber auch andere entsprechend geschulte Mitarbeitende)
Meldungen zu Erwachsenen und Kindern gehen hier ein, und werden geprüft. Entweder ad-hoc durch die KESB oder aber es werden Aufträge zur Überprüfung an die zuständigen kantonalen KJZ gegeben. Daraus wird sich dann eine längere Klärung (bis zu 4 Monate) mit einem KJZ Team anschließen, welches 2-3 x wöchentlich mit der Familie arbeitet.
Am Ende steht dann ein Einschätzungsbogen und ein Bericht, der an die KESB geht. Diese entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Leider ist dieser sehr gut aufgestellte Bogen, der mit allen Mitarbeiter:innen der einzelnen KJZs erarbeitet wurde, nicht in allen Kantonen gültig. Es gibt 26 Kantone insgesamt in der Schweiz. Jeder Kanton hat eine eigene Kantonsverfassung und eigene µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô, die anders aufgestellt sind und mit anderen Methoden arbeiten (zudem gibt es ja auch noch die unterschiedlichen Sprachen in dem Land…)
Der Föderalismus erhöht die Akzeptanz der staatlichen Regelungen in den einzelnen Kantonen und Gemeinden, jedoch entsteht so ein sehr unübersichtliches Gebiet der Gesetze und Normen…

Nachmittags berichtet die Kollegin Denise mir von einem neu entstandenen Projekt im Kanton der Schweiz: das mobile Kriseninterventionsteam (mik mobile Intervention bei Jugendkrisen). Dieses Projekt gibt es erst seit einigen Monaten. Es arbeiten 6 Mitarbeitende in dem Projekt unterschiedlichster Profession aus dem psychosozialen Bereich. Die Entstehung wurde durch das Aufzeigen einer Betreuungslücke zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe für junge Heranwachsende begünstigt. Überlastete Systeme wie KJPP oder Schulsozialarbeit haben dies angezeigt. Kinder/Jugendliche ab 10 Jahren bis zur Volljährigkeit werden hier niedrigschwellig betreut und beraten auf freiwilliger Ebene (ganz ohne Einbeziehung der staatlichen Stellen KESB und/oder KJZ). Das Team versteht sich als Bindeglied zwischen Fachpersonen / Institutionen und einer Weitervermittlung. Die Beratung kann für 6 Monate erfolgen. (telefonisch, online oder persönlich vor-Ort) Die Unterstützung gilt für psychosoziale Krisen, Klientel muss wohnhaft im Kanton Zürich sein und eine Kindeswohlgefährdung darf nicht vorliegen.
Spannendes Projekt!

5. Tag – Opferberatung Castagna

Heute habe ich einen Beratungstermin bei der Beratungsstelle Castagna. Diese liegt relativ nah bei meiner Unterkunft und ich kann (bei extrem heißen Sommerwetter) zu Fuß dorthin gehen.

Dort erwarten mich äußerst helle und freundliche Beratungsräume und die stellv. Leiterin dort (Psychologin mit traumatherapeutischer Ausbildung).
Die Beratungsstelle Castagna ist eine der Beratungsstellen, die nach dem Opferhilfegesetz (OHG) arbeiten. Die Beratung ist streng vertraulich und kostenfrei. Alle Menschen in der Schweiz können eine Opferberatung in Anspruch nehmen, die durch eine Straftat psychisch, körperlich oder sexuell verletzt wurden. Bei der Beratungsstelle Castagna sind es vor allem Jugendliche, in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer, nicht ausbeutende Eltern, Bezugspersonen von Betroffenen, Fachpersonen und Institutionen.

Hier wurde sich bewusst auf den Begriff „sexuell ausgebeutete Menschen“ geeinigt, um den Begriff „Missbrauch“ nicht zu benutzen. Mittlerweile werden auch hier Beratungen per Video durchgeführt. Meine Gesprächspartnerin teilt mit, dass sie anfangs skeptisch der Digitalisierung gegenüberstand. Nunmehr berichten alle Beraterinnen sowie Klient:innen über sehr positive Erfahrungen dazu.

Es gibt einen sehr ansprechenden Film auf der Website von Castagna dazu und es erscheint jährlich ein Themenheft. Dieses Jahr war das Hauptthema im Heft „Strafanzeige nach sexueller Ausbeutung in der Kindheit und Jugend“. Das Strafrecht ist hier in der Schweiz natürlich auch ein anderes als in Deutschland. Ich habe das Heft und noch 10 weitere Jahresmagazine bekommen.

Puh, das wird ein schwerer Koffer. Immerhin gebe ich die vielen Give-aways, die ich mitgenommen habe (Stoffbeutel, Blöcke, Schlüsselbänder etc. vom Familienbüro Lichtenberg, aber auch vom Senat Berlin) sehr großzügig aus, da ich den Platz auf der Rückfahrt brauchen kann…

6. Tag „Schlupfhuus“

Besuch im Schlupfhuus (Krisenhaus für Jugendliche in Zürich Stadt) Dies ist eine niedrig schwellige Beratungs- und Unterkunftsstelle für Jugendliche. Von Außen sieht das Haus wie ein Neubau aus, innen entpuppt es sich als ein renoviertes altes Haus aus der Jahrhundertwende. Mir begegnen mehrere Jugendliche, die gerade dabei sind ihre Zimmer aufzuräumen. Es ist wohl Putztag!
Sie sind darüber informiert, dass ein Gast aus Berlin kommt. Alle Infos stehen an einer großen Tafel, die frei zugänglich ist.
Das gesamte Team ist systemisch und traumatherapeutisch geschult. Transparenz und Zugänglichkeit zu Informationen nimmt daher einen großen Raum ein. Leiter und Leiterin des Hauses erläutern mir besonders ihre traumatherapeutischen Grundhaltungen: “Verstehen ohne einverstanden zu sein“
Jugendliche können hier unterkommen zwischen drei Tagen und drei Monaten. Das Schlupfhuus ist eine vom Kanton Zürich bewilligte Kriseninterventionsstelle. Der Verein Schlupfhuus ist Träger dieser Einrichtung. Die Eltern müssen für eine Unterbringung (laut dem neuen Jugend- und Heimgesetz 2022) für jeden Tag 25 Franken dazu zahlen. Die anderen Kosten trägt der Verein. Die Hilfe für die Jugendlichen ist direkt und unbürokratisch. Wenn die Eltern mit einer Unterbringung einverstanden sind, wird weder die KESB (Schutzbehörde) noch das KJZ (Kinder- und Jugend Zentrum) mit involviert.
Es gibt zusätzlich noch zwei Appartement Plätze für Jugendliche an einem anderen Ort. Besonders Schutzbedürftige und/oder nicht gruppenfähige Jugendliche werden dort untergebracht. Da die Anfrage nach Plätzen auch für jüngere Kinder/Jugendlichen steigt, gibt es ein neues Haus in der Planung. Die Suche danach war nicht einfach, da auch die Mieten und Grundstückspreise exorbitant hoch sind. Eine Freikirche hat ein nicht genutztes Haus zur Verfügung gestellt,- jetzt beginnt der Dialog mit den Anwohnern. Jede Bürger:in (Nachbar:in) in der Schweiz kann sich direkt mit einer Baueinsprache gegen ein Bauvorhaben wehren…. Viel Ansprache und Sensibilisierung wird daher von der Leitung im Schlupfhuus erwartet….
Diese Schutzhaus gibt es jetzt seit 40 Jahren in Zürich.

7. Tag Dielsdorf Dörflicher Raum

7. Tag KJZ Dielsdorf

Am heutigen Tag fahre ich mit dem Zug nach Dielsdorf. Das sind nur wenige Bahnminuten entfernt von Zürich Stadt und trotzdem steige ich in einem bäuerlich anmutenden Dorf aus. Es riecht sogar nach Land…..
Hier gibt es ein KJZ, (Kinder- und Jugendhilfezentrum), die die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe und Aufträge des AJB umsetzen sollen.
Es gibt im Kanton Zürich mehrere KJZ. Alle sind anders aufgestellt und die ÇàÇà²ÝÊÓÆµsskala ist variabel. Die KJZ wurden 2012 gegründet. Eltern und Kinder sollten eine örtlich nah aufgestellte umfassende Beratungsstelle zu vielerlei Themen haben war das Ziel. Die Bevölkerung der Kantone ist sehr heterogen und daher müssen die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe auch spezifisch sein!
Es wird unterschieden zwischen freiwilligen und unfreiwilligen ÇàÇà²ÝÊÓÆµen. Beratungen gibt es zum Thema Recht, Kindsschutz und psychologisch ausgerichtete Themen rund um Elternschaft.
Das Haus ist über drei Etagen und sehr hell und freundlich eingerichtet.
Überall fallen (wie immer) die gut gestalteten Flyer und ÇàÇà²ÝÊÓÆµe auf, die vom AJB entwickelt wurden. Es gibt eine Gestalterin, die diese vielfältigen ÇàÇà²ÝÊÓÆµe gestaltet und auch für die Website Auftritte gebucht wurde, so dass die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe ins Auge fallen und ein einheitliches Designkonzept im Kanton Zürich haben.
Ich durfte bei den Beiständen (analog in etwa zu unseren RSD Mitarbeitenden im Jugendamt) bei der Fallintervision dabei sein. Gut ausgebildete junge Frauen, die sich mehrperspektivisch über Kindesschutz in einzelnen Familien austauschten.
Danach war ich bei einer Gesamtteamsitzung anwesend. Hier redete das Team dann Schwyzer Deutsch, so dass es mir doch schwer fiel ihnen in allem zu folgen….
Am Nachmittag gab es dann extra für mich nochmal einen Austausch über die Ähnlichkeiten im Kinderschutz zwischen Deutschland (Berlin) und dem Kanton Zürich. Auffallend war tatsächlich die Diskrepanz der Fallbelastungen zwischen den Schweizer Beiständinnen und den Mitarbeitenden des RSDs.
Um 17:00 Uhr ging der Zug zurück. Eine halbe Stunde später war ich wieder im Zentrum in Zürich und bin wie alle hier zum Abkühlen noch in eins der „Badis“ (es gibt 53 offizielle Badeanstalten am Züricher See) gegangen….

8. Tag Vernehmungsraum Polizei

8.Tag Abklärungen und Stadtpolizei

Morgens bin ich wieder um 08:30 Uhr in „meinem“ Amt in der Dörflistr. erschienen (das berufliche Bonding geht dann doch sehr schnell….)
Von der Kollegin Martina (die mir auch schon am 4. Tag die „Abklärungen“ erläutert hat), gibt es heute eine Einführung zu der Thematik „Hochstrittige Umgangskonflikte“. Sie hat dazu einen Fachdossier geschrieben, der gut aufgebaut ist, so dass die Beistandspersonen umfänglich damit arbeiten können. Überall sind Hinweise zu anderen Materialien (z.B. weiterführende Literatur, Kinderbücher) eingearbeitet.
Auch wurde, bei Erstellung des Dossiers, viel über die Termini diskutiert. Sie sagt, dass sich fast alle von dem Begriff der „Besuchskontakte“ (getrennt lebende Eltern) verabschiedet haben und mittlerweile sich das Wort „Betreuungsverantwortung“ etabliert habe (rechtlich wird auch von „Persönlicher Verkehr“ gesprochen)
Sie hat auch eine Broschüre entwickelt für die Fachberatung der KESB, damit Alternativen für Beistandschaften aufgezeigt werden. Ähnlich wie unsere Familiengerichte sind auch hier die KESB nicht umfänglich über Hilfsangebote bei hochstrittiger Elternschaft informiert, um diese anzuordnen/empfehlen.
Sie erläutert mir, dass nach einem Kinderschutzfall mit Todesfolge (Mord an beiden Kindern durch die Kindsmutter und nachfolgender Suizid), der Kanton Schweiz sehr alarmiert war. Die damals neu gegründete KESB ist sehr in Verruf geraten nach der furchtbaren Tragödie. Im Zuge dessen hat sich eine Ombudsstelle (namens Kescha, privater Träger) für betroffene Eltern entwickelt, die mit Maßnahmen der KESB nicht einverstanden sind. Mit dieser Ombudsstelle arbeitet der AJB/KESB zusammen und nimmt Kritik und Sichtweisen in die eigenen Konzepte auf. Auffallend ist auch in diesem Gespräch wie wirksam und gewinnbringend auf wissenschaftliches KnowHow der Uni Basel bzw. das Meyerhofer Institut zurückgegriffen wird. Die Namen tauchen immer wieder bei den Gesprächspartner:innen auf.

Nachmittags bin ich unterwegs zur Stadtpolizei, Gruppe Kinderschutz der Kriminalabteilung. Nunmehr in einem relativ neu gestalteten Stadtteil, dem Toni Areal (benannt nach der bekannten Molkerei und dem berühmten Toni-Joghurt) Die Hochschulen haben sich hier neu angesiedelt und viele junge Studierende tummeln sich Drumherum.
Die Stadtpolizei ist in einem gänzlich neuen Gebäude. Wahnsinnig tolle Architektur und Ausstattung mit Sichtbeton an den Wänden und (wieder) stylishen Kaffee Automaten und „Begegnungsinseln“ für die Mitarbeitenden. Da kann man schon neidisch werden….
Mich begrüßt der Leiter der Einheit und ich habe am Nachmittag drei Stunden Zeit mit ihm und drei weiteren Kolleg:innen der Einheit zu sprechen.
Sie haben sich professionell vorbereitet und haben mich schon in Berlin gefragt, ob ich drei wesentliche Punkte für das Gespräch auflisten kann, die mich interessieren. Mein Augenmerk lag auf der Vernetzung im Kinderschutz, inwieweit wird mit anderen Kinderschutz µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô vor Ort zusammengearbeitet und welche Stolpersteine gibt es.
Wir sitzen in einem schön gestaltetem Vernehmungsraum zusammen.
Dass es eine Kinderschutzgruppe bei der Polizei gibt, ist einzigartig in der Schweiz! Dies beinhaltet Menschenhandel mit Kindern, Prostitution und andere Formen der Ausbeutung von Kindern.
Es wird sehr eng mit den Opferberatungsstellen/KESB/Kinderspitälern zusammengearbeitet. Kindsopferbefragungen finden hier bei der Polizei statt. Die Befragten werden engmaschig geschult in Bereichen wie Formalien und Entwicklungspsychologie von Kindern/Jugendlichen. Bei Befragungen ist immer eine Psychologin hinter der Scheibe mit anwesend, um den korrekten Vorgang zu dokumentieren und um Feed-Backs nach der Sitzung an die Befrager:innen zu geben. Auch erhalten die Mitarbeitenden laufend Supervisionen (Meyerhofer Institut).
Es gibt auch ein neues Projekt in den Spitälern, welches sich Forensic Nurse nennt,- das Projekt arbeitet ähnlich wie bei uns die Gewaltschutzambulanz. Betroffene können dort eine Spurensicherung/Fotos/Nachrichten hinterlegen und haben 1 Jahr Zeit sich zu überlegen, ob sie die Straftat polizeilich anzeigen wollen.
Die Forensic Nurses sind 24h besetzt und kommen in die Kliniken oder vor Ort und sichern relevante Spuren bzw. beraten die Hilfesuchenden in Bezug auf die Opferberatungsstellen.
Das Team der Polizist:innen gab mir auch einen intensiven Einblick in die Thematik der Häuslichen Gewalt, da die Rechtslage hier in der Schweiz auch anders ist als in Deutschland.

9. Tag team AJB

9. Tag „Väterberatung“

Heute begleite ich den ganzen Tag den Mitarbeiter Dani aus dem AJB, der den Bereich Männerberatung betreut. Um mich vorzubereiten, habe ich abends noch Folgen des Podcasts „papodcast“ des Kantons Zürich gehört, den er initiiert hat. Ich höre mich zwar langsam ein, aber mein Schwyzer Deutsch ist nicht gut genug alles zu verstehen. Zudem bin ich abends in der Regel so erschöpft, dass ich schnell einschlafe…
Morgens gibt es erstmal eine kurze Besprechung zum Scrum-Team (die neue Organisationsform des AJB, an dem auch Dani beteiligt ist) ) und alle informieren sich über den Stand ihrer Arbeit.
Danach gibt Dani mir einen Überblick über seine berufliche Biografie (ich frage das alle Mitarbeitenden zu Anfang). Er erläutert mir per powerpoint seinen Werdegang und die Aufgaben der Väterberatung im Kanton. Hier bedient er die Anfragen der Männer, die sich an ihn wenden und koordiniert die Termine mit den Klienten. Er bevorzugt ein Aufsuchen vor Ort, da er oft persönlich mit den Männern besser in Kontakt gerät. Die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe werden zumeist von Mittel- oder Oberschichtsklientel in Anspruch genommen, daher problematisiert er, dass das Programm ausbaufähig sei.
Am Mittag begleite ich ihn zum KJZ Bülach, dafür nehmen wir wieder den Zug. Dort bespricht er eine Fortbildung (zusammen mit einer KJZ Leiterin) für die Firma Cannon. Der Verantwortliche dort möchte seine Mitarbeitenden von Cannon das ÇàÇà²ÝÊÓÆµ von den KJZ vorstellen und hatte bei der Männerberatung angefragt. Es soll einen Workshop dazu im September für einen Vormittag geben.
Am Nachmittag sind wir zurück in Zürich Stadt und setzen uns mit dem Scrum Team (das sind einzelne Mitarbeiter:innen des Gesamtteams) zusammen und es gibt eine offene Ideenwerkstatt zur besseren Erreichbarkeit für Männerthemen in der Öffentlichkeit. Es werden spannende Zugangswege diskutiert (z.B. QR Codes an Spiegeln in der Männertoilette, Reparaturcafes, Bratwurststände und Hüpfburgen sowie präsentere ÇàÇà²ÝÊÓÆµe für digitals Natives…)

10. tag Plakat Häusliche Gewalt

10. Tag Präventionsabteilung Kantonspolizei

Heute ist Freitag und mein Arbeitstag geht nur bis Mittag. Die Schweizer arbeiten tatsächlich 2h mehr als wir in der Woche und haben nur 4 Wochen Urlaub. Sehr fleißig!!
Ich habe einen Termin in der Präventionsabteilung der Kantonspolizei.
Die Stelle wurde 2014 ins Leben gerufen. Auffallend am Eingang sind gleich zwei Plakate, die sehr ansprechend sind.
Ich habe den Termin bei der Soziologin Rahel mit einem anderen Polizisten zusammen, der sich gerade auf dieses Thema spezialisiert hat und auch beraten möchte. Daher ist es ein sehr lebhaftes Gespräch zu dritt.
Rahel berichtet dass in dieser Stelle Kollege:innen sitzen, die zu der Thematik Häusliche Gewalt, Radikalisierung und Brückenbauer forschen und publizieren. Zumeist sind sie von Hause aus keine Polizeibeamte, sondern Soziolog:innen, Politikwissenschaftler:innen und Psycholog:innen.
Hier laufen neueste Forschungsergebnisse bzw. herausgaben bzgl. des Themas zusammen. Rahel und ihre Kolleg:innen bereiten dies auf und beziehen sich auf die Schweizer (Kanton Zürich) Verhältnisse.
Sie lancieren Werbematerial für Betroffene und Tatausübende. Dazu gehört auch das neueste Plakat an der Tür, was mir sofort ins Auge fiel. Sie sagt auch, dass sie manchmal neidisch auf die deutschen Verhältnisse in µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô wie Ministerien ist, ist, da diese schneller und effizienteren Forschungen anstreben und entwickeln können. Hier ist der Föderalismus in der Schweiz und die Größe des Landes ein großer Hemmschuh.
Bahnbrechend finde ich jedoch die Schutzmaßnahmen, die die Polizei entwickelt hat. Die Auflagen einer Wegweisung nach einer Tat der Häuslichen Gewalt sind verbindlicher geregelt und beide Parteien werden umgehend an Beratungsstellen angebunden, die die Menschen sofort kontaktieren.
Ob die KESB (Kinder und Erwachsenen Schutzbehörde) nach einem Vorgang der Häuslichen Gewalt (im Haushalt mit Kindern) involviert wird, hängt von Häufigkeit und Schwere der Tat ab.
Wenn gegen Schutzmaßnahmen verstoßen wird, kann die entsprechende Person sogar in Gewahrsam genommen werden.
Für gewaltbetroffene Frauen, sowie für gewaltbetroffene Männer mit Kindern gibt es Schutzhäuser.
Von der Hochschule Luzern (Soziale Arbeit) gibt es ein sehr gut aufbereitetes Themenheft zu „Kontakt nach häuslicher Gewalt“ (Leitfaden zur Prüfung und Gestaltung des persönlichen Verkehrs für Kinder nach Häuslicher Gewalt). Super Termin war das!
Puh, jetzt ist die 2. Woche schon um und ich bin tatsächlich wochenendreif nach so viel Input…

11. Tag Frau Bremer beim Aktenstrudium

11. Tag KESB Pfäffikon

Ich besuche die KESB (Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde) in Pfäffikon Ländlicher Bereich
Um 09:00 Uhr werde ich in der KESB in Pfäffikon erwartet, daher nehme ich den Zug vom Züricher Hauptbahnhof um kurz nach acht. Der Öffentliche Nahverkehr ist extrem gut ausgebaut in der Schweiz, auch im ländlichen Raum sind alle meine Ziele im Kanton Zürich gut und bequem mit Zug und Bus zu erreichen. Das beeindruckt mich immer wieder!!
Ich habe es mir angewöhnt die Kolleg:innen zu Beginn der Hospitationen über ihren beruflichen Werdegang zu befragen. Meine heutige Betreuerin Corinne ist von Hause aus Juristin. Hat lange in einer Stabsstelle beim Gericht gearbeitet und hat dann eine Mediationsausbildung gemacht. Seit nunmehr 5 Jahren arbeitet sie bei der KESB in Pfäffikon. Entscheidungen in das Erwachsenen- oder Kinderrecht werden in allen KESB µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô immer zu dritt gefällt. Es muss zwingend eine Juristische Stimme und eine sozialpädagogische Stimme dabei sein. Die dritte Stimme ist frei wählbar. Es arbeiten in dieser Behörde 25 Mitarbeitende unterschiedlicher Professionen. Das Team hat gemeinsam alle 8 Wochen eine Supervision. Die Jurist:innen sowie die anderen Mitarbeiter:innen sind in beiden Bereichen (Erwachsene sowie Kinder) tätig. Im Kanton Zürich gibt 1,5 Millionen Menschen, die in 12 Bezirken und 160 Gemeinden leben. 13 KESBen gibt es im Kanton, die unterschiedlich aufgestellt sind. Hier in Pfäffikon gehen die Meldungen zum Kindes- oder Erwachsenenschutz beim Präsidenten ein. Er sichtet die eingehenden Meldungen und schätzt ein, mit welcher Dringlichkeit die Fälle bearbeitet werden müssen. 4 µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ômitglieder bearbeiten und verteilen die Fälle dann 1x in der Woche. Wenn die Meldungen eiliger erscheinen, setzt sich das Entscheidungsteam vorher zusammen. Weitergehende Clearing Aufträge werden dann an die KjZ gegeben, in denen Beistände arbeiten (fast ausschließlich Sozialarbeitende). Dieses Vorgehen hatte ich schon in der ersten Woche beschrieben. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu unserem System der Jugendämter (RSD) und der Familiengerichte, die hier Entscheidungen des Kindeswohl treffen (staatliches Wächteramt).
Ich sichte hier in Pfäffikon auch Akten. Die Aktenführung ist sehr gut. Es gibt keinerlei handschriftlichen Vermerke und auch Beschlüsse werden teilweise kindgerecht formuliert und an Kinder/Jugendliche geschickt, so dass diese die getroffenen Entscheidungen verständlicher erklärt bekommen und mehr Chancen haben, diese mitzutragen. Für Formulierungshilfen für Minderjährige bekommen die Mitarbeitende fortlaufend Schulungen.

12. Tag Leitsätze für die Verwaltung der Zukunft

12. Tag Frühkindliche Bildung und Besuch des Kinderspitals

Heute ist Frühkindliche Bildung das Thema und die Innovation des Kita Gesetzes. Die Juristin Nicole im AJB erarbeitet diese.
Sehr spannender Termin. Kinder in der Deutsch-Schweiz gehen verbindlich ab dem 4. Lebensjahr in eine Kita. Die Kitas sind ans Schulwesen – d.h. das Kinder dann „Schulkinder“ sind. Dies ist verpflichtend für alle Eltern. Die Betreuung vor dem 4. Lebensjahr kann in Kindergruppen erfolgen, die jedoch sehr kostenintensiv für Eltern und nicht kommunal geregelt sind. Diese Betreuungseinrichtungen sind privat wirtschaftlich organisiert.
In der Regel bleiben daher immer noch Mütter zuhause bei den Kindern, oder aber Großmütter arbeiten verkürzt, damit sie ihre Enkelkinder betreuen können. Somit geht dies einher mit einer Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit allen seinen Folgen, z.B. wird weniger Geld wird in die Renten Kassen zu Beginn der Berufstätigkeit und zum Ende der Berufstätigkeit der Frauen eingezahlt….
In den Kitas müssen Quaitätsstandards und Schutz Konzepte vorhanden sein, die mit den Mitarbeitenden erarbeitet wurden. Erzieher:innen müssen Strafregisterauszüge vorlegen. In denen steht nicht nur eine eventuelle Verurteilung, sondern auch laufende Verfahren. Wie einzelne Kitas mit laufenden Verfahren umgehen, ist noch nicht geklärt von der gesetzlichen Seite. Hier entscheiden die Gemeinden selbständig. Für den Kanton Schweiz wären dies 162 Gemeinden, die eigene Einschätzungen mit eignen Kriterien erarbeiten…. (der Nachteil von pluralistischen Entscheidungen!!)

Am Nachmittag besuche ich das Kinderspital in der Stadt Zürich. Ich verbringe einen ganzen Nachmittag mit dem Sozialarbeiter Bruno Bühler. Das Spital scheint sehr frequentiert zu sein (4-Bett Zimmer für kranke Kinder und dann noch zusätzliche Begleitbetten von Eltern) und ist in die Jahre gekommen. Die Belegschaft steht kurz vor dem Umzug in ein neues Haus. (das hatte ich mir schon am Wochenende angeguckt und war schier begeistert. Das Architektenteam Herzog-Dömerow hat das neue Kinderspital entworfen und die Außen Ansicht und Gestaltung ist spektakulär!!)
Es gibt im Kanton Zürich drei Kinderschutzgruppen in einzelnen Spitälern. Diese Teams sind eng miteinander vernetzt. Auch hier wird interdisziplinär gearbeitet. 9 Personen arbeiten im Team. Vieles an der Ausstattung im alten Spital erinnert hier an eine Berliner Verwaltung. Es ist auch mal ganz wohltuend hier in meinem Schweiz Aufenthalt , dass die Technik bei einer Videokonferenz nicht funktioniert und teilweise noch mit Flip Chart gearbeitet wird…. Die Kinderspitalgruppe (KiSpi) arbeitet eng mit der Polizei zusammen. Manchmal macht auch das KiSpi Team selbständig eine Anzeige gegen die Eltern, so dass das Kind eventuell entlastet wird. Mir wird berichtet, dass der Kanton die KiSpi großzügig mit Personal ausstatten, damit der medizinische Kinderschutz gewährt wird. Der Sozialarbeiter Bruno arbeitet dort schon 15 Jahre.
Ich hospitiere bei einer Intervision online mit einem anderen Kinderschutz Team in Affoltern. Ein Fall mit zwei überforderten Eltern und einem kleinen Mädchen mit Enzophalitis wird besprochen. Es gibt die große Sorge, dass die Eltern das Medikament nach Klinikaufenthalt absetzen und eventuell aus Überforderung das Mädchen schädigen…..
Danach gibt es eine Falleingangsberatung mit allen Mitarbeitenden. Diese werden protokolliert und Zuständigkeiten benannt. Es gibt nochmal eine längere Diskussion zum Thema Datenschutz, die ich sehr erhellend fand und am Kind zentriert.

Am späteren Nachmittag kann ich bei einer Sitzung in der KiJu-Psychiatrie teilnehmen. Dort wird Mundart gesprochen, da Eltern und der Jugendliche anwesend sind. Die Familie hat meiner Teilnahme zugestimmt. Die Runde war groß und es ging darum, dass die Km einer weiterführenden Unterbringung in einem Wohnheim zustimmen konnte.
Mein swyzerdeutsch wird von Tag zu Tag besser…

13. Tag Rechtsabteilung und Opferberatung Kokon

Ich habe am Vormittag bei Stefos (Jurist in der regionalen Rechtsabteilung) einen Termin. Im AJB im Haus Dörflistr. Stefos hat eine aufregende professionelle Biografie und ist nunmehr Leiter von vier Rechtsstellen im Amt AJB, die wiederum verteilt sind im Kanton. Er hat zuvor Medizin studiert, dann Jura und hat lange in den USA gelebt und war dort bei der Rechtsstelle bei Paramount Pictures. (Schon wieder die Interdisziplinarität an dieser Stelle, die mich beeindruckt)
Der Rechtsdienst nimmt die Aufträge von der KESB (Kinder-und Erwachsenen Schutzbehörde), des AJB (Amt für Jugend- und Berufsberatung) und der KJZ (Kinder und Jugend Zentren) entgegen und versucht diese rechtlich zu klären.
In der Schweiz wird z.B. bei Geburt eines Kindes sehr genau darauf geachtet, dass nach 2 Wochen der Vater des Kindes eingetragen sein muss. Wenn dieser nicht eingetragen ist, gilt es als eine Überprüfung im Kindschaftsrecht. Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde wird automatisch eingeschaltet. Das Kind Recht beruft sich auf:
- Recht auf Abstammung
- Recht auf Unterhalt
- Erbrecht
- medizinische Angelegenheiten

In solchen Fällen wird ein Beistand eingerichtet, der genau diese Belange mit Hilfe der Kindsmutter bzw. Rechtsstelle klären muss. Da in der Schweiz die finanziellen Verhältnisse der Bürger:innen für die Ämter offen liegen, kann sich die Rechtsstelle schnell Einblick in die Vermögensverhältnisse der Eltern beschaffen.
Die Rechtsstelle bearbeitet auch Beschwerden von Eltern an die zuständigen Ämter

Mittags hatte ich dann einen Termin in der Beratungsstelle Kokon, Opferberatungsstelle für Jugendliche. Dort wurde ich sehr herzlich zu einem gemeinsamen Mittagessen empfangen. In der Beratungsstelle arbeiten nur Frauen. Nach dem Mittagessen, bei dem ich wieder sehr interessiert den beruflichen Werdegängen der Frauen lauschte, hat mir die Leiterin Nicole den Aufbau und die Arbeit der Beratungsstelle erläutert. Viele der Mitarbeiterinne haben vorab im Schlupfhuus oder im Frauenhaus gearbeitet. Sie sind sehr qualifiziert und haben oft therapeutische Ausrichtungen.
Es gibt in der Schweiz seit 30 Jahren ein Opfergesetz, welches beinhaltet, dass Menschen, die als Opfer von Straftaten beeinträchtigt zu werden drohen, Anspruch auf eine Opferberatung haben. (jegliche Art von strafbare Handlung kann hier drunter fallen, auch Verkehrsunfall oder Hundebiss….). Beratungen werden auch ohne Strafanzeige durchgeführt. Das reicht von Informationen, konkreten Hilfestellungen bis zu Ansprüchen auf Entschädigung. Kinder und junge Menschen von 0-25 Jahren werden hier beraten. Wenn der Zugang über die KESB oder die Polizei erfolgt, ruft Kokon selbständig bei den Kinder- und Jugendlichen an und fragt nach, ob Beratung erwünscht ist etc. Es herrscht eine absolute Vertraulichkeit.
Bei Minderjährigen, die über andere Zugänge kommen und die „ernsthaft gefährdet sind“ kann die KESB oder Strafverfolgung nachträglich von der Beratungsstelleinvolviert werden. Das passiert äußerst selten!

14. Tag Chlamydien sind keine Blumen

14. Tag KJZ Leitungsteam und „liebesexundsoweiter“

Die Fahrt heute Morgen startet um kurz vor 08:00 Richtung Rüti, südliches Ende vom Zürichsee. 45 Minuten Fahrtzeit bis ich da bin. Ich hospitiere beim KJZ (Kinder- und Jugendzentren) Leitungsteam (10 x im Jahr an unterschiedlichen Orten im Kanton Zürich).
Alle 14 Leitungskräfte der KJZ-Zentren des Kantons waren anwesend und auch drei Kolleg:innen des AJB. Auf der Tagesordnung standen Themen der Zusammenarbeit zwischen dem AJB und der KJZ. Heute wurde intensiv darüber diskutiert, ob und wie Informationen an die einzelnen Standorte gelangen sollen von Seiten des AJB. Soll ein Pool mit Informationen themenspezifisch aufgebaut werden? Sollen die Informationen einzeln angefragt und abgerufen werden? Es gab eine lebhafte Diskussion dazu und unterschiedliche Haltungen….
Als 2. Tagespunkt war mein Vortrag an der Reihe. Ich habe eine Powerpoint zu der Arbeit des Jugendamtes /RSD in Lichtenberg im Kinderschutz gezeigt und auf die Unterschiedlichkeiten der Systeme Schweiz/Deutschland hingewiesen. Hier war es für mich von Vorteil, dass ich mich schon in der 3. Woche befunden habe. Ansonsten hätte ich einige Schweizer Begrifflichkeiten durcheinandergeworfen. Die Kolleg:innen waren sehr interessiert und zugewandt. Großes Interesse gab es zu einem Gegenbesuch in Berlin!
Auch wurde ich gebeten, den 1. Check bei Meldungseingang bei Kindeswohlgefährdung per mail rumzusenden, da es dieses einheitliche System im Kanton Zürich nicht gäbe.

14. Tag Zugfahrt nach Winterthur

Am Nachmittag fuhr ich mit dem Zug von Rüti nach Winterthur. Die einstündige Strecke war sensationell. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, als wäre der Ausblick in die Berge ein Panoramafoto von einer Heidi-Verfilmung!
Direkt am Bahnhof Winterthur lag die Beratungsstelle „liebsexundsoweiter“. Ein ehemaliger Berliner Kollege (Schweizer Abstammung) Dominic von den „Berliner Jungs“ aus Berlin arbeitet nunmehr hier. Er berichtete mir über das ÇàÇà²ÝÊÓÆµ von Sexualpädagogik in der Schweiz. Für alle Berufsschulen gibt es ein zweistündiges verpflichtendes ÇàÇà²ÝÊÓÆµ in den Berufsschulen, was erstaunlich gut von den ³§³¦³óü±ô±ð°ù:¾±²Ô²Ô±ð²Ô angenommen wird. Auf meine Nachfrage erzählt er mir von der Vernetzungsarbeit bei Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt in der Schweiz. Er lobt nochmals ausdrücklich unsere gute Zusammenarbeit Freie Träger/ Jugendamt RSD Lichtenberg und die gute Vernetzung. Das freut mich natürlich sehr!! Er nimmt es als Vorbild, um auch hier im Kanton mit den öffentlichen Stellen besser ins Gespräch zu kommen.

15. Tag „Lust und Frust“

Heute wird mein Tag entspannter, da ich nur am Vormittag einen Termin habe. Diesmal besuche ich die Beratungsstelle „Lust und Frust“ in der Stadt Zürich. Sie ist das Pendant zu der gestrigen Sexualberatungsstelle. Die Projekte werden schulisch in der 5./6. Klasse und in der 8./9. Klasse angeboten. Das Thema sexualisierte Gewalt läuft immer mit, wird aber nicht extra thematisiert. Beratungen gibt es rund um das Thema Sexualität. Interessierte Schulklassen besuchen dort vor Ort das ÇàÇà²ÝÊÓÆµ. Nach der ersten Vorstellung und ersten Warm-Ups, werden die Gruppen Geschlechter different geteilt. Kinder, die sich als intersexuell erleben, können sich selber zuordnen. Die Beratungen werden von jeweils einem Mann/ einer Frau durchgeführt. Die Gruppenräume liegen in einem alten Schulgebäude, die sehr schön hergerichtet sind und eine sehr freundliche Atmosphäre besitzen. Die Beratungsstelle verfügt über ansprechende Spiele und tolles Plakat Material, welches an den Wänden hängt.
Die Beratungsstelle teilt sich die Räume mit der nachmittäglich stattfindenden Musikschule, daher steht auch ein abgeschlossenes Klavier in jedem Raum. Die Musiklehrer:innen haben berichtet, dass manche Eltern wünschen, dass die Plakate nicht sichtbar wären. Die Beratungsstelle sich jedoch dagegen ausgesprochen und somit bleiben diese hängen. Ihre Begründung: diese hängen auch an anderen öffentlichen Gebäuden, Bushaltestellen etc. Besonders die Plakate von Amnesty International behagten einigen Eltern nicht…

16. Tag Tagesordnung Nachmittag Limita

16. Tag Limita Fortbildung in Lindau

Ich starte morgens um halb 6 in Zürich Stadt und fahre in die Gemeinde Lindau im Kanton Zürich (Bahn und Bus). Die Organisation Limita organisiert eine Kick-Off Veranstaltung für die gesamte Schule nebst Schulpersonal zum Thema “Prävention und Schutz vor sexueller Ausbeutung”. Die Veranstaltung startet vom 07:30 und geht bis 16:30 an diesem Tage. es gibt eine vollumfassende Essensversorgung mit breit angelegtem Frühstück und einem mittäglichen Grillangebot. Bestens ausgestattet!
Der Veranstalter hatte mich gebeten, schon früher da zu sein, damit wir meine Vorstellung im Kollegium vorbereiten können. Die Schule (Primar Bereich) hat sich zusammen mit der Organisation Limita auf ein 2jähriges Präventionsprojekt vorbereitet. Dazu gehört die heutige 1tägige Fortbildung mit den dazu gehörenden Workshops. In dem Verlauf der weiteren 2 Jahre gibt es unter den Lehrkräften, Küchen und Handwerkspersonal mehrere Kleingruppen zur Thematik und es soll am Ende des Prozesses ein neu erarbeitetes Schutzkonzept stehen. Limita wird dies in allen Phasen begleiten und die Jahre darauf auch dieses evaluieren.
Es sind ca. 100 Anwesende vor Ort. Nach einer ersten Triggerwarnung für die Anwesenden und einem sehr spannenden Vortrag des Limita Mitarbeiters, steht eine Geschichte im Vordergrund, die viele Facetten eines sexuellen Missbrauchs widerspiegelt “Christa und die Flöhe“. Dann werden Kurzfilme von Interviews eingeblendet, in denen erwachsene Menschen über ihren früheren Manipulationen durch Täter erzählen.
Am Nachmittag beginnt die Kleingruppenarbeit mit verschiedensten Professionen. Für mich eine echte Herausforderung, da alle Mundart sprechen! Aber ich habe mich ja schon ein wenig eingehört. Es ist unglaublich spannend, da es um eigene Machtreflexionen geht in unserer beruflichen Laufbahn. Dann lande ich in einer Gruppe von Lehrpersonen, die über Kleiderordnungen im Schulalltag berichten, und ob sie sich als Erwachsene selber an das regelwerk halten. Es wird lebhaft diskutiert, inwieweit man dies Kindern /Jugendlichen auferlegen könnte im Schulalltag.
Punkt 16:30 Uhr endet die Veranstaltung. Ich habe einen guten Einblick erhalten und eine sehr engagierte Schulleiterin kennen gelernt, die mit Limita dieses Programm für die Schule ausgearbeitet hat. Zudem hat sich mein Sprachverständnis für Mundart an diesem Tag um mindestens 5% erhöht….

17. Tag Arbeitsraum für Gruppen im Amt

17. Tag KESB der Stadt Zürich

Heute bleibe ich in der Stadt Zürich und besuche dort die Kinder- und Erwachsenen Schutzbehörde bei dem Jurist Ivo Biderbost. Herr Biderbost (oder Ivo, hier benutzt man ja das kollegiale “Du”) war mein erster telefonischer Ansprechpartner in Zürich, dem ich damals das LoGo Programm vorgestellt hatte und der sich darauf eingelassen hat mich zu begleiten bzw. mich an die entsprechende Partnerin Frau Sandra Stössel im AJB zu vermitteln. Er ist Jurist und seit vielen Jahren in der KESB Zürich tätig. Auch war er maßgeblich am Umbau von der früheren Vormundschaftsbehörde in die jetzige Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde als Jurist beteiligt. Im weiteren Verlauf des Tages hospitiere ich bei dem Psychologen Martin, der mir auch die Meldeeingänge für die Behörde in der Stadt Zürich erklärt. Grob geschätzt sagt er, dass ca. 60% der Meldungen keine Maßnahmen nach sich ziehen und nach Prüfung werden 40% der Meldungen weiter betreut. Am Nachmittag kann ich bei zwei Gesprächen hospitieren. Bei dem ersten Gespräch berichtet eine 15-jährige Jugendliche, dass sie sich aus ihrer Familie gelöst habe. Die Familie lebt mittlerweile illegal in der Stadt Zürich und alle Kinder seien der KESB bekannt. Es hat vielerlei Maßnahmen gegeben, jedoch haben die die Situation der Kinder nicht verbessert. In der Familie geht es offensichtlich um elterlichen Alkoholgebrauch und kriminelles Tun, welches die Kinder massiv schädigt. Die Jugendliche hat sich nunmehr zum dritten Mal in das Mädchenhaus begeben und möchte längerfristig, eventuell auch anonym untergebracht werden. Die beiden Beraterinnen sagen ihr eine vorläufige Aufnahme zu. Im Anschluss gibt es Telefonate mit den Eltern ohne die Jugendliche. Die Mitarbeiterin wird heftigst beschimpft und bedroht am Telefon von dem Familienvater.
Bei der zweiten Hospitation geht es um eine Meldung einer Mutter, dass der getrenntlebende Kindsvater offenbar mehrfach alkoholisiert und randalierend in der Wohnung angetroffen wurde im Beisein der 13-jährigen Tochter. Der Vater war mit seiner neuen Lebenspartnerin in der KESB zum Gespräch. Dieser dementierte und teilte mit, dass der letzte Vorfall ein “Ausrutscher” gewesen sei und er eigentlich medikamentös aufgrund seiner Alkoholsucht eingestellt sei. Jedoch würde er das vorübergehende Kontaktverbot mit seiner Tochter akzeptieren. Die KESB wird in Folge noch an einem anderen Termin die Kindesmutter und die Jugendliche anhören und dann eine Entscheidung treffen. Auch hier laufen die Termine zu zweit als Fachkräfte.

18. Tag Haus Forio

18. Tag Forio in Frauenfeld

Heute früh fahre ich in einen anderen Kanton der Deutsch Schweiz Thurgau und besuche dort das Institut Forio in Frauenfeld. Der Berliner Kooperationsträger „Kind im Zentrum“ hat mir den Kontakt empfohlen. Mein Arbeitstag ist heute von 08:00-18:00 eingeplant. Die Beratungsstelle liegt in einem freundlich erscheinenden alten Fachwerkhaus in der Innenstadt. Erst das Schild im Eingangsbereich „Forio-forensisches Institut Ostschweiz“ weist daraufhin, dass es eine Beratungsstelle im Haus gibt.Nirgends steht, dass hier „Täterberatung im sexualisiertem Kontext“ stattfindet.
Ich habe vormittags ein langes Gespräch mit dem Einrichtungsleiter Herrn Meinrad Rutschmann, der langjährig als Therapeut Tätergruppen initiiert und betreut. Er berichtet über die Entstehung des Instituts und die Weiterbildungen, die dort, neben der Beratungsarbeit, stattfinden. Er sagt, dass das Team die Arbeitsbelastungen durch Supervisionsangebote und einen guten mittäglichen ritualisierten Austausch bewältigen können. Ich lerne die Praktikantin und eine weitere Therapeutin kennen. Am heutigen Mittwoch kocht die Praktikantin für die Belegschaft und es gibt eine abendliche Jugendlichen gruppe, die ebenfalls mit Essen versorgt wird. Diese kommen um 17 Uhr in der Regel von ihren Ausbildungsorten, um die Gruppe zu besuchen. Meinrad sagt, dass die Basis Versorgung (in diesem Fall Essen und Trinken) ein wichtiges Element sei, damit sie sich auf die Inhalte einlassen können….
Ich habe die Möglichkeit bei einer morgendlichen Gruppe von jungen kognitiv eingeschränkten Männern zu hospitieren. Sie sind verpflichtend für 10 Termine in der Gruppe dabei, um sich mit ihren Taten und mit ihrer Sexualpräferenz auseinander zu setzen. Es gibt einen musikalischen Auftakt, in dem zusammen ein Lied gesungen wird, welches Grenzen benennt. Die Gruppe wird durch das Therapeutenpaar begleitet und es werden entweder eigene Themen aufgegriffen oder Situationen (Bildmaterial) besprochen. Dazu hängt sehr sichtbar eine große Ampel, die verschiedene Lichter leuchten lässt, damit die Gefahrenbereiche markiert werden. Auch der Abschluss der Gruppe wird durch ein Lied markiert. Zudem gibt es für den Weg noch einen Müsliriegel als Snack mit.
Nach der Mittagspause mit den weiteren Therapeutinnen des Instituts gibt es eine weitere Einzelberatung für einen 65jährigen Klienten, der die Auflage per Gericht bekommen hat, alle zwei Wochen einen Einzeltermin mit dem Sexualtherapeuten wahrzunehmen. Durch einen langjährigen Therapieprozess und durch diese Auflage hat der Klient seine Freiheit nach Haftstrafe wiedererlangt und konnte eine angedachte Sicherheitsverwahrung abwehren. Der Klient berichtete sehr eindrücklich über seinen Alltag und eventueller Gefährdungsmomente.
Später am Nachmittag hospitierte ich bei einer Gruppe aus jugendlichen Sexualstraftätern. Vier männliche Jugendliche im Alter von 13-17 Jahren waren anwesend. Die Jugendlichen wurden durch eine Gerichts Auflage vermittelt. Es gibt einen ständigen Austausch zwischen der Jugendgerichtshilfe und der Einrichtung Forio. Spannend ist auch, dass die Hälfte der Jugendlichen aus dem deutschen Grenzbereich zur Schweiz kommen. Forio kommt hierbei den deutschen Jugendbehörden preislich entgegen, da es das ÇàÇà²ÝÊÓÆµ zur opferorienteierten Täterarbeit leider nicht im Umkreis Konstanz in Deutschland gibt. Daher haben die Jugendlichen oftmals lange Wege hinter sich, um pünktlich hier zu erscheinen. Alle belegten Brötchen sind im Anschluss von den jungen Männern aufgegessen.
Als ich um 18:00 Uhr das Institut voll von professionellen Inputs verlasse, bereitet sich Meinrad noch auf einen Termin um 19:00 Uhr vor, der online stattfindet. Schweizer Arbeitstage sind sehr lang!

19.Tag MNA- Beratung der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten

Am frühen Vormittag gibt es ein geplantes Online Treffen mit meinem Heimat Jugendamt und der dortigen Fachlichen Steuerung. Der Schweizer Kollege Alexander (Termin vom 3. Tag) war sehr daran interessiert über den Lichtenberger Jugendhilfebedarf und deren Planung mehr zu erfahren. Daher planten wir ein gemeinsames online Treffen mit meinem Kollegen Bernhard aus der fachlichen Steuerung. Gerade heute ist jedoch das gesamte AJB Netz implodiert und es war mühsam (trotz der High Technik hier in der Schweiz) eine gute Verbindung herzustellen. Dank Mobil Telefon klappte es dann doch. Alexander wollte viel über die Finanzierung von Projekten und Bedarfsanalysen wissen und Bernhard konnte ihm die Jugendhilfelandschaft in Lichtenberg (weitaus präziser als ich es gekonnt hätte) erklären.
Der weitere heutige Vormittag ist meinem Abschied vorbehalten. Die Zeit ging wirklich sehr schnell um. Ich verabschiede mich von „meiner“ Abteilung. Auch gebe ich meine Give-aways an die Kolleg:innen und lade diese nach Berlin ein. Sie würden alle sehr gerne kommen und sind gespannt auf einen Austausch.
Am Nachmittag besuche ich die Abteilung der MNAs (mineurs non accompagnes). Minderjährige aus dem Asyl Bereich, die sich ohne ihre Eltern oder eine andere sorgeberechtigte Person in der Schweiz aufhalten, werden im Kanton Zürich von der Abteilung MNA betreut. Die Abteilung sitzt auch im Hauptgebäude des AJB in der Dörflistrasse. In dieser Abteilung herrscht geschäftiges Treiben, die Büros sind teils mit vier Schreibtischen belegt und der Geräuschpegel ist höher als in allen anderen Abteilungen des Hauses. Im Auftrag der Kinderschutzbehörde (KESB) führt sie die Vertretungsbeistandschaften durch.
Der Leiter Alan stellt mich den Mitarbeitenden vor. Leider ist heute das Gesamt System im Haus nicht abrufbar, daher stellt er mir die kantonalen Zahlen per Flipchart vor.
Hauptsächlich afghanische unbegleitete minderjährige Geflüchtete kommen in der Schweiz an. Der Bildungsstand ist sehr unterschiedlich. Viele von ihnen sind jedoch nicht alphabetisiert. Es gibt Bildungs- und Sport Programme. Ab dem 18. Lebensjahr erlischt der Jugendhilfebedarf und die jungen Menschen werden an die Gemeinden im Kanton überwiesen, die für die Unterbringung und die weitere Versorgung die Kosten und die Aufsucht tragen. Das stellt die Abteilung der MNAs vor große Probleme, da sie oft sehen, dass die ÇàÇà²ÝÊÓÆµe des Kantons sehr unterschiedlich sind und der frühere Lebensmittelpunkt die Hauptstadt Zürich für die jungen Menschen nur mit längeren (teuren) Bahnfahrten zu erreichen ist.
Ich darf an zwei Erst-Beratungen der zukünftigen Vormundin und eines Dolmetschers teilnehmen. Bei beiden Beratungen wurden afghanisch stämmige männliche Jugendliche beraten. Im Anschluss baten die Jugendlichen im Amt um Kleidungsstücke, die auch in Schränken im Amt verwahrt wurden, so dass diese mit Gebraucht Kleidung fürs erste eingedeckt wurden.
Ich war vom Engagement der Mitarbeitenden sehr beeindruckt!

20. Tag Badi Zürich See

20. Tag

Heute ist der letzte Arbeitstag in der Schweiz. Ich sitze in meiner Unterkunft und versuche meinen Wochenbericht zu Ende zu schreiben. Tatsächlich schaffe ich es heute nicht ganz… es werden noch einige Arbeitsstunden dazu kommen werden in Berlin. Ein letztes Mal gehe ich abends zum Züri See und bade im Freibad, wie alle Menschen hier!!!
Morgen fahre ich mit dem Direktzug Zürich-Berlin wieder nach Hause. Mal gucken, ob der Zeitplan in der entgegen gesetzten Zugrichtung eingehalten werden kann und wann ich in Berlin lande …

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