Heute startet der Tag entspannt um 09:00 Uhr. Mein erstes Gespräch war mit Martina. Sie betreut die Arbeit der KJZ (Kinder- und Jugendzentren- analog zum Jugendamt/RSD bei uns) in Fällen von Kindeswohl “Abklärungen”.
Meldungen und Zusammenarbeit im Kinderschutz wird deutlich anders gestaltet als in Deutschland. In der Schweiz Kanton Zürich gibt es mehrere µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô und Instanzen, die daran beteiligt sind. Meldungen von Bürger:innen und Fachdiensten gehen immer an die KESB (Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde). Hier arbeiten Jurist:innen und Sozialarbeitende (aber auch andere entsprechend geschulte Mitarbeitende)
Meldungen zu Erwachsenen und Kindern gehen hier ein, und werden geprüft. Entweder ad-hoc durch die KESB oder aber es werden Aufträge zur Überprüfung an die zuständigen kantonalen KJZ gegeben. Daraus wird sich dann eine längere Klärung (bis zu 4 Monate) mit einem KJZ Team anschließen, welches 2-3 x wöchentlich mit der Familie arbeitet.
Am Ende steht dann ein Einschätzungsbogen und ein Bericht, der an die KESB geht. Diese entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Leider ist dieser sehr gut aufgestellte Bogen, der mit allen Mitarbeiter:innen der einzelnen KJZs erarbeitet wurde, nicht in allen Kantonen gültig. Es gibt 26 Kantone insgesamt in der Schweiz. Jeder Kanton hat eine eigene Kantonsverfassung und eigene µþ±ð³óö°ù»å±ð²Ô, die anders aufgestellt sind und mit anderen Methoden arbeiten (zudem gibt es ja auch noch die unterschiedlichen Sprachen in dem Land…)
Der Föderalismus erhöht die Akzeptanz der staatlichen Regelungen in den einzelnen Kantonen und Gemeinden, jedoch entsteht so ein sehr unübersichtliches Gebiet der Gesetze und Normen…
Nachmittags berichtet die Kollegin Denise mir von einem neu entstandenen Projekt im Kanton der Schweiz: das mobile Kriseninterventionsteam (mik mobile Intervention bei Jugendkrisen). Dieses Projekt gibt es erst seit einigen Monaten. Es arbeiten 6 Mitarbeitende in dem Projekt unterschiedlichster Profession aus dem psychosozialen Bereich. Die Entstehung wurde durch das Aufzeigen einer Betreuungslücke zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe für junge Heranwachsende begünstigt. Überlastete Systeme wie KJPP oder Schulsozialarbeit haben dies angezeigt. Kinder/Jugendliche ab 10 Jahren bis zur Volljährigkeit werden hier niedrigschwellig betreut und beraten auf freiwilliger Ebene (ganz ohne Einbeziehung der staatlichen Stellen KESB und/oder KJZ). Das Team versteht sich als Bindeglied zwischen Fachpersonen / Institutionen und einer Weitervermittlung. Die Beratung kann für 6 Monate erfolgen. (telefonisch, online oder persönlich vor-Ort) Die Unterstützung gilt für psychosoziale Krisen,
Klientel muss wohnhaft im Kanton Zürich sein und eine Kindeswohlgefährdung darf nicht vorliegen.
Spannendes Projekt!
5. Tag – Opferberatung Castagna
Heute habe ich einen Beratungstermin bei der Beratungsstelle Castagna. Diese liegt relativ nah bei meiner Unterkunft und ich kann (bei extrem heißen Sommerwetter) zu Fuß dorthin gehen.
Dort erwarten mich äußerst helle und freundliche Beratungsräume und die stellv. Leiterin dort (Psychologin mit traumatherapeutischer Ausbildung).
Die Beratungsstelle Castagna ist eine der Beratungsstellen, die nach dem Opferhilfegesetz (OHG) arbeiten. Die Beratung ist streng vertraulich und kostenfrei. Alle Menschen in der Schweiz können eine Opferberatung in Anspruch nehmen, die durch eine Straftat psychisch, körperlich oder sexuell verletzt wurden. Bei der Beratungsstelle Castagna sind es vor allem Jugendliche, in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer, nicht ausbeutende Eltern, Bezugspersonen von Betroffenen, Fachpersonen und Institutionen.
Hier wurde sich bewusst auf den Begriff „sexuell ausgebeutete Menschen“ geeinigt, um den Begriff „Missbrauch“ nicht zu benutzen. Mittlerweile werden auch hier Beratungen per Video durchgeführt. Meine Gesprächspartnerin teilt mit, dass sie anfangs skeptisch der Digitalisierung gegenüberstand. Nunmehr berichten alle Beraterinnen sowie Klient:innen über sehr positive Erfahrungen dazu.
Es gibt einen sehr ansprechenden Film auf der Website von Castagna dazu und es erscheint jährlich ein Themenheft. Dieses Jahr war das Hauptthema im Heft „Strafanzeige nach sexueller Ausbeutung in der Kindheit und Jugend“. Das Strafrecht ist hier in der Schweiz natürlich auch ein anderes als in Deutschland. Ich habe das Heft und noch 10 weitere Jahresmagazine bekommen.
Puh, das wird ein schwerer Koffer. Immerhin gebe ich die vielen Give-aways, die ich mitgenommen habe (Stoffbeutel, Blöcke, Schlüsselbänder etc. vom Familienbüro Lichtenberg, aber auch vom Senat Berlin) sehr großzügig aus, da ich den Platz auf der Rückfahrt brauchen kann…