Karl-Marx-Straße 4, 12043 Berlin
In Karte anzeigenStation 1: Friedhof Sankt Jacobi I – Kaffeebar Jacobi
Station 1: Friedhof Sankt Jacobi I – Kaffeebar Jacobi Station 1: Friedhof Sankt Jacobi I – Kaffeebar Jacobi
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô / Tanja Peuker
Die Untere Denkmalschutzbehörde lädt Sie zu einem ganz besonderen Spaziergang durch ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô ein. Nach dem Motto “alles bleibt anders” haben wir 8 Denkmäler zu einer Spaziergang-Route zusammengestellt, deren Nutzung heute eine ganz andere ist als ursprünglich. Lassen Sie sich überraschen und freuen Sie sich auf neue Einsichten und Ausblicke.
Aus der Schalterhalle der Post wurde ein urbanes Bekleidungsgeschäft. Die Orangerie ist heute eine Kunstgalerie, die Festsäle einer Brauerei sind ein Schnäppchen- und ein Supermarkt. Und da, wo früher Tote zum Abschiednehmen aufgebahrt wurden, trifft man sich nun zum Brunch. Denkmale im Zentrum ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôs befinden sich im Wandel. Durch ihre Umnutzung wird Denkmalsubstanz gesichert und erhalten. Oft entsteht auch noch ein Mehrwert, weil Denkmäler nach der Umnutzung wieder oder erstmals öffentlich zugänglich werden.
Sie können den Spaziergang in der vorgegebenen Reihenfolge laufen, oder individuell anpassen. Wenn Sie es zum Tag des offenen Denkmals nicht schaffen, ist das nicht schlimm. Die Route wartet hier auf Sie.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Der Spaziergang beginnt unweit des Hermannplatzes auf dem Friedhof Sankt Jacobi I. Wer sich noch stärken muss, kann dies in der Kaffeebar Jacobi tun.
Adresse: Karl-Marx-Straße 4, Friedhof Sankt Jacobi I – Kaffeebar Jacobi
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô: Mo bis So von 10:00-18:00 Uhr
Der Friedhof Sankt Jacobi I wurde 1852 angelegt. Er ist für sich schon ein schöner Ort. Mina, die die Seite www.wunderweltfriedhof.de betreibt, schreibt dazu: „Dieser Friedhof ist ein echtes ‚Überraschungs-Paket‘! Hat man den eindrucksvollen Innenhof betreten, möchte man meinen, man ist in Rom unterwegs: Säulen, weiß getünchte Wände, linker Hand die Kapelle in antikem Stil, sehr außergewöhnlich. Uralte verwitterte Gräber, monumentale Grabsteine, Statuen und kleine verwunschene Wege, die aus dem Nichts vor einem auftauchen. Dieser Friedhof wird dem Begriff ,Wunderwelt‘ gerecht.“
Ein Spaziergang über den Friedhof lohnt sich tatsächlich sehr. Er ist als Gartendenkmal in die Denkmalliste Berlins aufgenommen worden. Die Kaffeebar befindet sich hinter der Kolonnade, in einem Raum, der durch Abtrennung von der vormals größeren Wartehalle entstanden ist. Links der Kaffeebar gibt es auch noch ein Blumengeschäft. An der Säulenreihe der Kolonnade vorbei gelangt man zur Kapelle und zu den verschiedenen Abteilungen des Friedhofs.
Die Kolonnade und die Kapelle wurden 1910-13 nach Plänen des ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôer Stadtbaurats Reinhold Kiehl neu errichtet. Er hat zum Beispiel auch das ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôer Rathaus bauen lassen. Auf diesem Friedhof wurde er begraben. Hier findet man viele historische, von Eisengitterzäunen eingefasste Gräber. Und etliche Grabanlagen von Menschen, die zu Lebzeiten bekannt in Berlin waren, unter anderem der Teehändler Friedrich Glücks (1854-1920), der Automatenerfinder Max Sielaff (1860-1929), der Berliner Sezessionsgründer Franz Skarbina (1849-1910), der Geograf und Kartograf Heinrich Kiepert (1818-1899).
Aus denkmalpflegerischer Sicht hat der Friedhof aber auch besondere Bedeutung für das Stadtbild ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôs. Er bildet mit anderen ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ðn ein Friedhofsensemble, an denen die Tour vorbeigeht. Ein solches Ensemble von ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ðn ist in dieser Form für Berlin einmalig. Es weist auf eine Besonderheit in der Stadtentwicklung hin: Alle ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ð sind älter als die Bebauung um sie herum. Sie wurden von Kirchengemeinden gegründet, die selbst gar nicht in ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô liegen, sondern wie beispielsweise Sankt Jacobi oder Sankt Thomas in Berlin-Kreuzberg oder Sankt Michael in Berlin-Mitte.
Die Kirchengemeinden dort hatten nicht den Platz, um ihre Mitglieder vor Ort zu bestatten. Sie entschieden deshalb, ihre ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ð außerhalb bewohnter Gebiete, auf der grünen Wiese, anzulegen. Die Wohnbebauung kam erst später. Heute bilden die teilweise noch genutzten, teilweise umgenutzten, teilweise stillgelegten ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ð eine der wenigen größeren ³Ò°ùü²Ô´Ú±ô䳦³ó±ð²Ô im dichtbesiedelten ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô
Vom Friedhof Sankt Jacobi I geht es zu Fuß oder mit der U7 (Ausstieg: Haltestelle Rathaus ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô) die Karl-Marx-Straße Richtung Süden weiter. Vorbei am Amtsgericht und am Rathaus ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô ist es nur noch ein kurzes Stück zu Fuß bis zur Alten Post.
Adresse: Karl-Marx-Straße 97/99 / Anzengruber Straße 1, Postamt
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô Snipes: täglich außer Sonntag 10:00-20:00 Uhr
Das Postamt wurde 1905/1906 von dem Architekten und Postbaurat Hermann Struve errichtet. Es folgten viele Umbauten (1929-30, 1950-51, zuletzt 1979-82). Insofern ist das Postamt ein Denkmal, an dem man viele Veränderungen und Rekonstruktionen innen wie außen entdecken kann. Auch in seiner aktuellen Überlieferung ist es aber für die Stadtgeschichte und das Stadtbild ein besonderes Gebäude. Denn es gehört zu der Kette der großen öffentlichen Gebäude entlang der Karl-Marx-Straße, die bald nach der Ernennung Rixdorfs zur Stadt entstanden und bis heute sein Zentrum ausmachen. Rixdorf, so hieß ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô einmal früher, wurde 1912 umbenannt und blieb noch bis zur Gründung von Groß-Berlin im Jahr 1920 eigenständig.
Das Postamt ist noch heute eine stattliche Schönheit mit seiner aufwendigen, kaiserzeitlich-historisierenden Architektur und der auffälligen Schrägstellung der Fassade. Letztere ähnelt dem wenig früher entstandenen Gebäude des Amtsgerichts. Die besondere Optik macht das Postamt zum Blickfang und zur unverwechselbaren Ortsmarke an der Karl-Marx-Straße. Nach langen Jahren des Leerstands ab 2003 fand sich 2016 ein Investor, der das Postamt umbauen ließ und einer neuen Nutzung zuführte.
Heute beherbergt es die private „School of Business and Innovation“ und eine Filiale des Einzelhandelsunternehmen Snipes. Die befindet sich in der ehemaligen Schalterhalle im 1. Obergeschoss. Sie ist durch Haupteingang und Foyer des Gebäudes über eine Rolltreppe zu erreichen. Teile der Innenausstattung aus den späten 1970er, frühen 1980er Jahren, zum Beispiel die Riemchenverkleidung an den Wänden und die Schieferplatten auf dem Boden, sollten und durften bleiben. Auch die Skulptur „Ausblick“ aus Messingrohr und Zinn des Künstlerpaares Brigitte Meier-Denninghof und Martin Matschinsky. Man muss allerdings nach ihr suchen. Sie ist hinter einer transparenten Glasbauwand „versteckt“.
Abgeschlossen ist die denkmalpflegerische Arbeit aber noch nicht ganz. Ein von Susanne Riée in den frühen 1980er Jahren geschaffener – ca. 20 Meter langer – Keramikfries, der sich in der früheren Kantine über der Schalterhalle befand, sucht noch eine neue Heimat und findet sie vielleicht ja demnächst im ehemaligen Packhof darunter, für den noch eine neue Nutzung gesucht wird.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Von der Alten Post aus geht es Richtung Süden am ehemaligen Quelle-Kaufhaus, heute Kalle ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô, vorbei. Nehmen Sie sich ruhig Zeit für die Betrachtung der Fassade, insbesondere der oberen Geschosse. Sie knicken aus Rücksicht auf die jeweilige Dachform der Nachbarbebauung nach hinten weg. Oder werfen Sie einen kurzen Blick hinein ins Gebäude.
Gleich hinter Kalle ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô gelangen Sie zur ehemaligen Sparkasse.
Adresse: Karl-Marx-Straße 107 / Ganghofer Straße 11, Sparkasse
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô Humana: Montag bis Freitag 10:00-19:00 Uhr, Samstag bis 18:00 Uhr
Der 15. Juni 1818 war ein besonderer Tag. Damals wurde die erste Berliner Sparkasse eröffnet, in der Gerichtslaube, einem Anbau am alten Berlinischen Rathaus in der Spandauer Straße. Ein Jahr zuvor hatte die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, eine Sparkasse für ärmere Bevölkerungskreise errichten zu lassen. Sie sollten, wenn es ihnen finanziell möglich war, zum Sparen angeregt werden, um für schlechtere Zeiten Vorsorge zu treffen. Als Berlin dann wuchs und wuchs, wuchsen die Sparkassen mit.
Das Gebäude der Sparkasse in der Karl-Marx-Straße 107 wurde zwischen 1915 und 1918 erbaut und bildete mit der etwas früher erbauten Reichsbank in der Ganghofer Straße 2 damals das Finanzzentrum von ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô. Der Entwurf des Bankhauses kann nicht eindeutig einem Architekten zugeordnet werden. Bauherr war der Magistrat der Stadt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô. Dass sich gleichzeitig zwei große Geldinstitute etablierten und die Sparkasse während des I. Weltkriegs entstand, verweist auf ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôs stetiges Wachstum, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Die Fassade, die sich am Vorbild der Reichsbank orientiert, soll Solidität und Sicherheit verkörpern: Das Sockel- bzw. Erdgeschoß, das damals die Tresore und Kassenräume beherbergte, signalisiert durch seine so repräsentativ wie wehrhaft wirkende Fassade (ausgeführt mit sogenannten Rustikabossen) Sicherheit. Von eindrucksvoller Wirkung sind auch die Pfeiler zwischen den Fenstern (Kollosalpilaster) im oberen Teil des Gebäudes. Der sparsame Einsatz von verzierenden Elementen an der Fassade soll wiederum vermitteln, dass hier sorgfältig mit dem angelegten Geld umgegangen wird. Einen besonderen Schmuck stellt allerdings die Mosaikkuppel des kreisrunden Eingangsfoyers dar.
Dieses Foyer wurde sehr gut erhalten, ist heute für alle zugänglich und führt in die einstige Schalterhalle. Dort befindet sich seit Auszug der Sparkasse das Second-Hand-Textilgeschäft Humana.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Wenn auch der Zugang über den Tag nicht möglich ist, statten Sie dennoch der früheren Reichsbank von außen einen kurzen Besuch ab.
Adresse: Ganghofer Straße 2, Bankgebäude Reichsbankfiliale
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô Prachtwerk: täglich von 17:00-19:00 Uhr
Der Entwurf für die Reichsbankfiliale wird Stadtbaurat Reinhold Kiehl zugeschrieben, wenngleich er nicht als Architekt benannt wird. Dem von 1912-1914 errichteten Gebäude ist äußerlich der vermögende Bauherr anzusehen. Die Fassade der Reichsbanknebenstelle zeichnet sich durch eine kunstvoll gestaltete Gliederung des Erdgeschosses (sogenannten Plattenrustika) aus Kalkstein aus. Auch die übrige Bauornamentik ist in Naturstein gearbeitet. Das im Vergleich zu Baustuck teure Material wird aus Gründen der Repräsentation bewusst gewählt worden sein. Kein Wunder, dass manchen das Gebäude an oberitalienische Palastarchitektur erinnert.
Die ehemalige Reichsbank erzielt ihre Wirkung zudem durch ein hohes Sockel- respektive Erdgeschoss, das Betonen der seitlichen Gebäudeachsen durch ein Vorspringen der Fassade, deren elegante/auffällige/hervorgehobene Gestaltung durch breite Putzbänder, die zum Dach hin mit einem sogenannten Klötzchenfries unter der Traufkante abschließen.
Heute wird die ehemalige Bank von „Prachtwerk“ genutzt, einem Mix aus Café, Bar, Event-Location.
Eine kleine Ergänzung: Dem schon erwähnten Rixdorfer Stadtbaurat Kiehl wird sehr eindeutig das Stadtbad ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô in der Ganghoferstraße 3-5 zugeschrieben, das er gemeinsam mit dem Architekten Heinrich Best erbaut hat. Es schließt unmittelbar östlich an das Gebäude der ehemaligen Reichsbankfiliale an. Allerdings passt dieses Denkmal strenggenommen nicht zu einem Spaziergang entlang umgenutzter Denkmäler in ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô. Denn es ist und war immer ein Schwimmbad. Mehr für Interessierte zum Einstieg unter .
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Vom Sudhaus aus geht es nun entlang der Straße am Sudhaus weiter am ehemaligen Verwaltungsgebäude der Brauerei vorbei Richtung Westen zum KINDL-Boulevard. Man kann ihn entweder durch eine Passage (Eingang Job-Center) bis zur Hermannstraße durchqueren oder über die Rollbergstraße südlich umlaufen. Ziel sind die einstmals legendären KINDL-Festsäle.
Adresse: Hermannstraße 218, Kindl-Festsäle, heute Woolworth und Eurogida
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô Woolworth: täglich außer Sonntag 9:00-20:00 Uhr
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô Eurogida: täglich außer Sonntag 8:00-20:00 Uhr
Die Kindl-Festsäle wurden 1893/94 von Friedrich Arthur Rohmer errichtet. Rohmer trug den Titel eines Berliner Ratsmaurermeisters und war auf den Bau von Brauereianlagen spezialisiert. Die Festsäle waren einst ein Ort des „reinsten Rixdorfer Vergnügens“, wie häufig zu lesen ist. Soll heißen: Hier floss das Bier in Strömen und es bebte der Tanzboden.
Rixdorf hatte zu Zeiten des Kaiserreichs einen schlechten Ruf. Dazu trug unter anderem der Gassenhauer „In Rixdorf is Musike“ bei, der schnell populär wurde. Erst recht, als der Komiker Heinrich Littke-Carlsen 1889 dazu „Schieber“ tanzte, wie der „Tagesspiegel“ 2012 berichtete. Solche „Engtänze“ galten damals als frivol. Zudem war nicht nur Rixdorf als Stadt während der Industrialisierung förmlich explodiert, sondern auch die Anzahl an Amüsierstätten und Spelunken.
Zu den legendären Kindl-Festsälen kam 1927 der „Mercedes-Palast“ hinzu. Er befand sich an der Stelle des heutigen Kindl-Boulevard und galt seinerzeit als größtes Kino Europas. Im „Mercedes-Palast“ wurden nicht nur Filme gezeigt. Es wurden auch Varietéschauen veranstaltet und Operetten aufgeführt.
In den Kindl-Festsälen fanden noch bis 1990 Veranstaltungen statt: Konzerte, Bälle, Sitzungen, Tagungen. Danach war es vorbei mit jeglichem Vergnügen. Die Festsäle schlossen. 1994 eröffnete schließlich eine Woolworth-Filiale, später kam noch ein Eurogida-Supermarkt hinzu.
Der ehemalige Eingang zu den Festsälen auf der Hermannstraße wird durch einen auffälligen Glockenturm markiert. Der Turm trägt noch heute sein von einer Glockenhaube gekröntes Pyramidendach. Er ist ganz im Stil seiner Zeit gestaltet, für die unter anderem galt: Repräsentative Formen mit vielen Verzierungen waren beliebt und galten als wertvoll.
Dieser Eingang ist allerdings heute verschlossen. Stattdessen gelangt man zum einst so legendären Vergnügungsort entweder von rechts (Woolworth) oder von links (Eurogida). Dann steht man in einem der Vorräume zum eigentlichen, sehr großen Festsaal. Wenn nämlich von den Kindl-Festsälen die Rede ist, sind der Hauptsaal und diverse Nebensäle, vermutlich mehrere kleine Ausschanksäle, gemeint. Trotz der Umnutzung erhält man hier einen guten Eindruck davon, wie dieser Innenraum 1894 einmal gestaltet war. Es lassen sich noch die reich gegliederte und gestaltete Stuckdecke entdecken, die alten Farbfassungen, die verzierte Holzvertäfelung an den Wänden.
Geht man rechts an der Kasse vorbei, gelangt man zum Haupterschließungsgang des Festsaals, in den man einst wie erwähnt durch den Glockenturm kam. Auch dieser relativ lange Gang ist immer noch eindrucksvoll. Er ist deutlich in Abschnitte gegliedert durch Stützen, Gurtbögen, Tragbalken. Die Deckenfelder sind unterschiedlich gestaltet. Es wechseln sich Abschnitte mit verzierten und bemalten Stuckelementen ab mit solchen, die in der Mitte auch noch eine Lichtkuppel eingelassen haben. Ferner sind an mehreren Gurtbögen Sprüche von damals lesbar, beispielsweise der freundliche Willkommensgruß „Kommt Alle herein hier ist´s gut und fein!“.
Wer noch mehr vom alten Charme entdecken möchte: Im Eurogida-Supermarkt findet sich insbesondere im Bereich der Kassen noch Ausstattung aus der Erbauungszeit. Was leider nicht zu sehen ist: Die zuletzt bestehende Decke des alten Festsaals. Sie ist unter einer Abhangdecke versteckt. Die Denkmalerfassung hat dokumentiert, dass sie jünger ist als der Rest der noch vorhandenen Substanz. Sie gilt als ein außerordentlich seltenes architektonisches Beispiel für die 1920er und beginnenden 1930er Jahre. Denn nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurden bis dahin entstandene moderne, expressive Raumgestaltungen überformt oder zurückgebaut. Es dominierte ein historisierender Stil.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Den Weg zur nächsten Station kann man durch die Nutzung der U8 (Richtung Hermannstraße, Abfahrt: Haltestelle Boddinstraße, Ausstieg Leinestraße) abkürzen. Das nächste Ziel in der Hermannstraße – in südlicher Richtung – ist aber auch gut zu Fuß erreichbar. An mehreren, der bereits an Station 1 unseres Spaziergangs erwähnten ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ðn vorbei, wollen wir den Friedhof der Sankt Thomas-Gemeinde erreichen, dessen westlich der Hermannstraße gelegene Teil zum Anita-Berber-Park geworden ist.
Adresse: Hermannstraße 180, Friedhof, Einfriedung, Allee (Anita-Berber-Park)
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô: täglich rund um die Uhr
Die Kirchengemeinde Sankt Thomas erwarb 1865 hier Ackerflächen, um den Friedhof anzulegen. Die Friedhofsanlage ist zweigeteilt: in einen älteren östlichen und einen ab 1872 belegten jüngeren westlichen Teil. Sie befinden sich jeweils auf einer Seite der Hermannstraße und sind beide durch eine Haupt- und mehre Querachsen gegliedert und gestaltet. Außerdem gleichen sie sich, weil jede der beiden Hauptalleen von alten Platanen gesäumt wird.
Der westliche Friedhofsteil wird von einer Ziegelmauer mit regelmäßig angeordneten Stützpfeilern eingefasst. Dazwischen wurden Sockelmauern gesetzt, die von Ziergitterzaunelementen bekrönt sind. Dieses jüngere Areal war weniger belegt und wurde nach dem Ende des II. Weltkriegs bis auf die Platanenallee von seinen Bäumen befreit. Denn 1948 musste hier für die Berliner Luftbrücke eine provisorische Start-/Landebahn-Befeuerung errichtet werden. Unmittelbar westlich des Friedhofs schließt nämlich das Tempelhofer Feld an, jahrzehntelang Areal des gleichnamigen Flughafens.
1961/62 wurden die Signalmasten aus Stahl durch solche aus Stahlbeton ersetzt.
Ab dem Ende der 1980er Jahre wurde auf dem Friedhof niemand mehr bestattet. 2012 wurde er geschlossen. Mit Geld, das für Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der A 100 bereitgestellt wurde, konnte der Friedhof zu einem Park umgestaltet werden. Die Platanenallee und die Friedhofsmauer bleiben erhalten. Der Park wurde 2017 eröffnet und nach Anita Berber benannt. Die 1899 geborene deutsche Tänzerin und Schauspielerin starb sehr früh im Jahr 1928 und wurde auf dem Friedhof der Sankt Thomas Gemeinde beerdigt.
Auf die Bedeutung der ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ð für das Stadtbild ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôs wurde bereits zu Beginn des Spaziergangs hingewiesen (siehe Station 1). Sankt Thomas ist Teil des ¹ó°ù¾±±ð»å³óö´Ú±ð-Ensembles an der Hermannstraße, das in dieser Form für Berlin einmalig ist.
Auf der anderen Seite der Hermannstraße, dem Areal des älteren östlichen Friedhofteils, sind die Friedhofskapelle sowie die Aufbahrungshalle der Sankt Thomas-Gemeinde sehenswert. Beides befindet sich an der südlich-westlichen Ecke des Friedhofs, an der Einmündung zur Thomasstraße.
Adresse: Hermannstraße 80, Friedhofskapelle und Aufbahrungshalle Kirchhof Sankt Thomas Gemeinde, Café 21 Gramm
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô 21 Gramm: bis auf Montag täglich 10:00-17:00 Uhr
Friedhofskapelle und Aufbahrungshalle als Ziegelbau stehen in der Tradition der Schule des berühmten Architekten und Stadtplaners Karl Friedrich Schinkel. Auffallend ist die Differenzierung der Fassaden durch einerseits hervortretende tragende Teile und andererseits tieferliegende Füllwände. Konstruktiv wichtige Partien sind betont durch erhöhte Eckpfeiler, Bögen, Pfeiler. Hierdurch werden die am Bau wirkenden Kraftlinien ablesbar. Besondere Zonen wie Gesimse und Fensterbrüstungen werden zusätzlich durch die Art der Mauerung betont. Durch dieses Linien- und Flächenspiel wirkt der Bau trotz des nur sparsamen Terrakottaschmucks abwechslungsreich und reizvoll.
Hinzu kommen das Vor- und Zurückspringen der einzelnen Baukuben und der Kontrast von geschlossenen Mauerflächen und dem sich öffnenden Arkadengang. Dieser vermittelt zugleich zwischen den Gebäuden und der Friedhofslandschaft. Über den Arkadengang betrat man früher auch die ehemalige Aufbahrungshalle für Verstorbene. Dort befindet sich, heute vor allem über die Hermannstraße zugänglich, ein Café mit dem Namen 21 Gramm.
Im frühen 20. Jahrhundert versuchte der US-amerikanische Arzt Duncan MacDougall, das Gewicht der Seele zu bestimmen. Er wog dazu sterbende Patientinnen und Patienten. Die Gewichtsdifferenz zwischen den Lebenden und den Toten betrug nach seinen Angaben durchschnittlich 21 Gramm. MacDougalls Experimente gelten heute als unwissenschaftlich. Seine 21-Gramm-Hypothese spielt aber in der Popkultur nach wie vor eine Rolle. Auf jeden Fall ist das Café in Anspielung auf seine Studien benannt.
Die Innenarchitektur ist bemerkenswert. Mit Säulen, Gurtbögen und Gratgewölben wird die Architektur der außen umlaufenden Arkaden harmonisch aufgegriffen. Doch trotz aller baulichen Schönheit verleugnet der Ort seine ehemalige Bestimmung nicht: Der Fußboden ist mit Fliesen belegt, die aus hygienischen Gründen eine grobe, rutschfeste Oberfläche aufweisen. An den Innenwänden finden sich zwei Bibelverse: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ (Offenbarung des Johannis, 2,10b). Und: „Was ich tue, das weißt du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren“ (Johannes 13,7).
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Die letzte Station des Spaziergangs führt zum Körner Park. Auch dort ist ein Cafébesuch möglich. Vom Sankt Thomas Kirchhof geht es zurück zur Hermannstraße. Links in die Thomasstraße einbiegen. Von dort führt die Route weiter nach rechts, beziehungsweise Süden in die Rübelandstraße bis man die Jonasstaße 58 erreicht.
Adresse: Jonasstraße 58, Körnerpark, Orangerie – Galerie
ִڴڲԳܲԲµ²õ³ú±ð¾±³Ù±ð²Ô der Galerie im Körnerpark: täglich 10:00-20:00 Uhr
Der rund 2,4 Hektar große Körnerpark entstand 1912-1916 und ist in seiner heutigen Form ein Gartendenkmal. Das Gelände, eine ehemalige Kiesgrube, hatte der Besitzer Franz Körner 1910 an die Stadt abgetreten. Der endgültige Parkentwurf stammt wahrscheinlich von einem Mitarbeiter des ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ôer Gartenbauamtes, Hans Richard Küllenberg.
Der Park ist streng axial aufgebaut. Zu den vier umgebenden Wohnstraßen hin ist er um fünf bis sieben Meter tiefer gelegen und wird auf der Nord- wie Südseite durch hohe Arkadenwände begrenzt. An der Hauptachse liegt auf der Westseite eine Orangerie mit Terrasse. Diesem Gebäude ist zur Parkseite hin eine weitere, mit Blumen und Kübelpflanzen üppig begrünte weitere Terrasse vorgelagert. Die Hauptachse findet auf der Ostseite ihren Abschluss in einer Kaskadenanlage mit einem Fontänenbecken, dessen Platzierung gleichzeitig den Mittelpunkt einer Querachse betont.
Zwischen Orangerie und Kaskade eingebettet ist ein Rasenparterre, begrenzt von Kanälen und eingefasst durch Platanenalleen. Dieser Rasenfläche schließen sich seitlich schmale, mit Bäumen bepflanzte grüne Räume an. Vor der nördlichen Arkadenwand wurde noch ein durch eine Hecke abgeschlossener, klar geformter Blumengarten geschaffen, vor der südlichen Arkadenwand mehrere Sitznischen angeordnet. Von den angrenzenden Straßen aus erreicht man diese Parkecken über monumentale Treppenanlagen.
Die Anwohner*innen haben mit dem Körnerpark ein überaus reizvolles, repräsentatives wohnungsnahes Gartendenkmal vor ihren Haustüren. Auffallend ist die künstlerische Qualität des Parks. Der Anlage ist das Bemühen anzusehen, ein Gesamtkunstwerk zu präsentieren, das Besuchenden nicht nur einen angenehmen Aufenthalt bieten, sondern ihnen auch ein Stück Gartenkultur vermitteln soll.
Der Park blieb über die Jahrzehnte erhalten und wurde nach geringen Beschädigungen im II.Weltkrieg auch wieder instandgesetzt. Doch es schmälerte seine Attraktivität, dass er in der Einflugschneise des Flughafens Tempelhof lag. Schon in den 1960er Jahren waren erste Verfallserscheinungen nicht mehr zu übersehen. Aus Verkehrssicherungsgründen mussten zudem mehr und mehr Gebäude und Treppenanlagen für Besuchende gesperrt werden. Die Kaskade wurde stillgelegt. Der Park geriet insgesamt in einen desolaten Zustand.
Nach jahrelanger Diskussion um die Zukunft der Anlage und anhaltender Kritik der Anwohnerschaft, die den Park in der alten Form als ruhige, grüne Erholungsstätte wiederhergestellt wissen wollte, wurden dann von 1977 an die erforderlichen Mittel bereitgestellt. Die Rekonstruktion der Gebäude und Anlagen – Orangerie, Kaskade, Umfassungsmauern – wurde auf Basis des Originalplans vom Gartenbauamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô in Angriff genommen. Sie erfolgte in enger Abstimmung mit der Berliner Gartendenkmalpflege.
Im Zuge dieser Sanierung wurde die ehemalige Orangerie in eine Galerie umgewandelt. Als erste kommunale Galerie in ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô eröffnete sie 1983 ihre Türen für nationale und internationale Künstler und Künstlerinnen. Heute zählt sie zu den renommierten Ausstellungsorten für zeitgenössische Kunst in Berlin. Außer der Galerie hat in der ehemaligen Orangerie auch ein Café Platz gefunden.
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Bild: Bezirksamt ±·±ð³Ü°ìö±ô±ô²Ô von Berlin / Jens Rieser
Es folgt eine Kartendarstellung. zur Teaserliste mit den enthaltenen Adressen unter der Karte springen
Herr Rieser
Gruppenleitung